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Neitzel will ohne Sorgen überwintern

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VfL: Trainer Karsten Neitzel im Interview
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Gerade noch Co-Trainer, jetzt hauptverantwortlich auf der Bank des VfL Bochum. Karsten Neitzel verrät im Interview, wie er den Verein aus dem Tabellenkeller bringen will.

Es war eine verdammt turbulente Woche für den VfL Bochum. Erst wurde Andreas Bergmann entlassen, dann Karsten Neitzel befördert, dann das Pokalspiel, die nervenaufreibende Partie gegen Cottbus und schließlich am Montag die Bestätigung, dass Neitzel Cheftrainer beim VfL Bochum bleibt. Am Mittwoch nun hatte der Aufsteiger an der Seitenlinie endlich einmal die Zeit, über sich und seine Ideen zu reden. Auch wenn sein Name weitgehend unbekannt ist, seine Vita liest sich durchaus spannend. Geboren in Dresden, Spieler bei Dynamo, 1987 WM Dritter mit der U19 der DDR, Teamkollege von Dariusz Wosz in Halle, Bundesligaeinstand 1994 im Trikot des SC Freiburg mit einem 5:1 gegen Bayern München, elfeinhalb Jahre Trainer der U23 in Freiburg, Stippvisite in Japan und seit 13 Monaten beim VfL.


Karsten Neitzel, wie fühlen Sie sich, wenn Sie hier auf dem Stuhl vor den Bochumer Journalisten Platz nehmen? Das erinnert mich spontan an 1989, als ich als junger Spieler in einem abgedunkelten Raum zwei Stasioffizieren gegenüber saß, die mich mit einer Stehlampe blendeten, mir Zigaretten und Schnaps anboten und einen Trabi, wenn ich ab sofort für sie arbeiten würde. Auf den Trabi habe ich verzichtet.

Jetzt sind Sie Cheftrainer beim VfL Bochum. Kommt Ihre Trainerkarriere jetzt endlich in Schwung? Ich habe keinen privaten Karriereplan in der Tasche und kann deshalb mit der momentanen Situation gelassen umgehen. Ich stehe jetzt zwar ein Stück mehr im Rampenlicht, aber werde deshalb noch lange nicht die wilde Sau spielen. Ich freue mich, dass man mir das Vertrauen geschenkt hat, denn ich weiß, dass ich kein Blinder bin.

Welchen Erfahrungsschatz werfen Sie in Ihre tägliche Arbeit? Ich habe über elf Jahre als Cheftrainer die U23 des SC Freiburg betreut. Das hilft mir durchaus. Fast 400 Spiele habe ich als Co- Trainer auf der Bank gesessen, habe bei der Vor- und Nachbereitung einer Partie mitgewirkt. In all den Jahren hatte ich meine Augen und Ohren immer offen, was ich in meine tägliche Arbeit mit einbringe.

Emotionen nicht im Griff

In den ersten beiden Partien erlebten Außenstehende Karsten Neitzel völlig unterschiedlich. In Havelse waren Sie das HB-Männchen an der Linie, gegen Cottbus saßen Sie eher unterkühlt auf der Bank. Gegen Cottbus habe ich versucht, mich ein wenig zurück zu nehmen. Die Situation war angespannter als in Havelse. Doch früher war es bei mir noch viel schlimmer. Ich habe während meiner Zeit in Freiburg viel Geld für ungebührliches Verhalten an der Außenlinie an den Fußballverband Baden-Württemberg gezahlt. Deshalb versuche ich jetzt, auf jeden Fall etwas ruhiger zu werden.

Seit wann fühlen Sie sich als Cheftrainer? Seit dem ersten Anruf von Jens Todt nachdem Andreas Bergmann beurlaubt worden war. Ich war hin und her gerissen, letztlich habe ich mich aber zunächst mehr über die Entlassung von Andy geärgert. Ich habe mich dann ins Auto gesetzt, bin zu Jens gefahren und habe mir auf der Fahrt überlegt: Irgendwann hast du eine Trainerausbildung gemacht mit dem Ziel, so hoch wie möglich zu arbeiten. Und das kann ich jetzt machen.

Was haben Sie in den nächsten Monaten mit der Mannschaft vor und was haben Sie für sportliche Ziele? Zunächst einmal ist es ganz wichtig für uns, dass wir es schaffen, dass jeder einzelne Spieler aus unserem Kader montags mit der Motivation zum Training kommt, die ihm sagt: Ich habe eine reelle Chance, am kommenden Wochenende zu spielen. Der Weg zur Stammformation und zum 18er- Kader sollte relativ offen sein, um so möglichst alle Lizenzspieler mit ins Boot zu bekommen. Natürlich habe ich mir auch über die sportlichen Ziele meinen Kopf zerbrochen. Ich habe eine Punktzahl im Kopf, mit der ich in die Winterpause gehen möchte. Wie die lautet, verrate ich nicht, aber wenn wir in den noch ausstehenden sieben Liga-Begegnungen so punkten, wie ich es mir erhoffe, dann werden wir ein ruhiges Weihnachtsfest haben. Dann würde uns eine Niederlage sicher nicht mehr wie ein Schlag treffen.

Noch nicht am Limit angekommen

Wenn ein neuer Trainer kommt, fordert er meist Verstärkungen. Sie auch? Nein. Ich bin nicht Trainer, um Spielerverpflichtungen zu fordern, sondern ich bin dazu da, den Leistungsstand des vorhandenen Materials zu verbessern. Ich glaube nämlich, dass wir unser gesamtes vorhandenes Potenzial noch längst nicht abgerufen haben.

Inwieweit spielen fußballspezifische Daten für Sie eine Rolle? Wenn man sie filtert, können sie durchaus nützlich sein, zum Beispiel in einem Vieraugengespräch mit einem Spieler. Aber es gibt auch viel Hokuspokus. Wenn mir einer schreibt, dass man mit einer neuen Atemtechnik die Leistungen um 70 Prozent steigern kann, dann ist das für mich absoluter Blödsinn.

In den ersten beiden Spielen haben Sie im Team viel rotiert. Wird das zum Dauerzustand? Das hängt jeweils von der Spielsituation ab. Die besten elf Spieler müssen nicht gleichzeitig die beste Elf stellen. Bei mir kann einer, der gestern auf der Tribüne saß, morgen in der Startformation stehen oder umgekehrt. Man muss sich nur im Training anbieten und mir zeigen, dass ich mich vielleicht geirrt habe.

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